S wie Schuhe, Schlappen und Sandalen

S wie Schuhe, Schlappen und Sandalen

19. Dezember 2022 1 Von Eva

„This man, she’s a good man. When I find money, I give him shoes or soda.“ Zitat eines Bekannten aus Muhanga über einen der Wachleute aus der Stadt. Er drückt damit seine Wertschätzung und Vertrauen aus, erklärt mir, dass ich diesem Wachmann vertrauen kann. Schuhe oder Soda, eine gute Fanta – das ist Liebe und Respekt in der Flasche. Wenn ich jemandem Schuhe schenke, ist es ein Zeichen gebundenen Respekts, gefädelter Liebe, Wertschätzung in Sneakerweiss oder in fake Vans. Denn eine Sohle um das Leben, den harten Boden und dreckigen Pfützen zu durchschreiten ist nötig. Nur wer wirklich ganz arm ist, viele viele Kinder in den ländlicheren Regionen, besitzen kein Paar. Und verwirrte Menschen, ältere Menschen mit Traumata und Verirrungen laufen öfters barfuß durch die Straßen.


Ich erinnere mich an Mama T, Mutter Theresa, die selber keine Schuhe hatte aber bekannt dafür war, sich um die Schuhe oder Schlappen anderer zu kümmern.

Ich erinnere mich an einen Künstler in Kigali, der aus alten ruandischen Schlappen – Kunstwerke erschafft. Mit traditionellen Nähstichen vernäht er sie, bis daraus eine neue Schönheit, eine Skulptur entsteht.

„You can come in, but it`s messy here.“ Sagt er.

Ich antworte : „Thats real. Messy is real … so, thank you.“
(Eigentlich ist die Ausstellung beendet, die Werke von der Wand geholt
und außerdem Sonntag. Trotzdem läßt er mich privat reinschauen).

Ich betrete seine Welt.

Willy Karekezi in Kigali. (Hier gehts zu vielen Bildern und Fotos von ihm.)

Hat gerade seine Local Motif Austellung in seinem Haus, das gleichzeitig als Galerie dient, beendet, öffnet sein Gate. Innenhof. Kunst. Eine kleine Holzbar. Ein Bild aus Spiegelbruchstücken. Ein Spiegel – Bild. Spiegelscherben zusammengefügt. Er erzählt später, eine amerikanische Freundin, die eine zweitlang bei ihm wohnte habe dieses Spiegel-Bild im Mosaik Stil entworfen. Im Garten stehen 4 hohe Bäume. An zweien hängt eine durchgelegene Hängematte. Ich brauche eine Neue. Die hier wurde soviel benutzt, sagt er mir am Ende der spontanen Privatführung durch seine Galerie. Als würde er sich dafür schämen, dass die Hängematte benutzt aussieht. Ich werde durch die einzelnen weiß gestrichenen Räume geführt. Darf stehen und schauen. Staunen und fragen, wenn ich will. In einigen Ecken stehen Leinwand an Leinwand. Hintereinander. Angelehnt. Ich darf sie durchblättern wie CD`s in den CD-Läden meiner Jugend in Basel. Immer eine weiterblättern, mir das Cover angucken, vielleicht mal eine rausnehmen und umdrehen.

An der vorderen und hinteren Hauswand, an der hinteren Ateliertüre und im Garten hängen und liegen Schlappen. Flip-Flops, nennt er sie. Hunderte Schlappen. Berge aus Flip-Flops. Für mich sind es die ruandischen Schlappen, die irgendwie jede und jeder zu tragen scheint. Schlappen in allen Farben, alle mit sehr ähnlicher Form. Alle haben einen breiteren Plastik-Streifen, der sich über den Mittelfuß zieht. Wie heißt deine Galerie und wieso heißt sie Indiba Arts?

Indiba, erklärt er, bedeutet zu Fuß die Welt begreifen. Darum geht es. Laufen und Weitermachen und immer weiter laufen. Indiba heißt „Bottom“ – die Sohle des Fußes, der Untergrund des Körpers, die Grundlage des Menschen – auf der wir laufen und laufen und weiterlaufen. Und hier laufen alle. (Denn Fahhradtaxi kostet 20 Cents/Strecke – Moto kostet 50-100 Cents, ganz zu schweigen von Auto). Diese einfachen Schlappen symbolisieren die Kunst und Virtue der ruandischen Bevölkerung in aller Schlichtheit und Einfachheit, das Leben zu managen und zu begehen. Die durchlöcherten, made-in-China-Schlappen, in bunten Farben zeigen Ruandas Stärke weiterzugehen und aus billigem Alltagsplastik goldene Lebenskunstwerke entstehen zu lassen.

Ich bin beeindruckt von einer schwarzen Sonne aus Flipflops. Von bunten Flächen aus Schuhen. Ich befrage ihn. Und er antwortet schlicht, dass er begonnen hat, im Fluss unweit seines Hauses Flip-Flops zu fischen. Und er war erstaunt über die Menge an Schlappen, die der Fluss ihm schenkte. Er hat weitergemacht und besitzt jetzt Tausende Flip-Flops aus dem Fluss Kigali`s, dem Nyabarongo.

Hier ein Auszug aus seinem Instagram Account. https://www.instagram.com/willy_karekezi/
Links unten eine Flip-Flop-Installation

Was im Fluss gelandet ist bleibt in Bewegung und wird zu moderner Kunst in seiner Galerie.

Mit diesen Schlappen bringt Willy Karekezi ruandische Erdung, ruandisches „savoir vivre“ in eine neue Form, besprüht sie mit Gold oder anderen Farben

Er näht Flipflop an Flipflop und es entstehen Farbflächen. Gefischte unpolierte Schlappen werden ein neues Kunstwerk und erzählen von den unzähligen Geschichten, die sie durchlaufen haben

Er näht mit einem groben Draht. Er näht, wie ich einen ruandischen Frisör die Dreadlocks einer Kundin habe zusammennähen sehen. Mit kleinen Fadenstücken, mehrere Strähnen so festbinden oder nähen, dass die Dreadlock-Hochsteck-Frisur mindestens für die nächsten 4 Wochen hält. Mit einem ähnlichen Stich näht er die Flipflops mit kurzen Drahtstücken zusammen.

Eric trägt lange keine Schuhe. Denn er besitzt keine. Dann, irgendwann in der 4. Grundschulklasse wird er mit Schlappen beschenkt. Du bist, was du trägst. An den Füßen. Sagt er mir.



Und Du bist, wer dich trägt. Denke ich mir. Aber zu Eric und seinen Schuhen, ein ander‘ Mal mehr.

Auf den Eingangsstufen der Galerie