Wasser oder kein Wasser?

Wasser oder kein Wasser?

21. Dezember 2022 1 Von Eva

Wasser oder kein Wasser? Kein Wasser.

Für den Bau der Straße wird gegraben, Leitungen gezogen, ab und an buddeln Bagger, die dann nachts von Baggerwächtern bewacht werden. Es wird wieder zugeschüttet, platt gemacht, Laternen und Strommästen einfach umgelegt – mitten in der Baustelle der Beginn der Regenzeit. Das heißt noch mehr Matsch und noch mehr spontane Straßensperrungen. Die Baustelle ist groß. Die Maschinen groß. Die Umwege lang (wenn man mit dem Auto unterwegs ist). Zu Fuß finden RuanderInnen schnell funktionale Wege und Pfade, um ihren Weg zu gehen. Diese Flexibilität der Ruander mit alltäglichen Veränderungen umzugehen ,konstruktiv‘ – also so, dass man weiterkommt, ist für mich immer wieder bewundernswert. Habe ich noch nie so gesehen.

Wo wir uns in Deutschland erstmal beschweren würden, obwohl es eine klare zeitlich begrenzte Ankündigung gab, dann noch mehr schimpfen und uns wundern – um sich nach 3h wieder über das fließende Wasser oder die offene Straße zu freuen –
wird hier einfach drumherum gelaufen, drumherum gebaut, gebastelt und das Problem kurzfristig weg-repariert …. so dass man auf jeden Fall einen Tag weiter kommt.
Innerhalb weniger Stunden sind rund um die laaaaange Baustelle 7 kleine Trampelpfade entstanden. Wenn man zu Fuß unterwegs ist, hat man hier gar nichts zu meckern. Diese Flexibilität und Fähigkeit, schnelle kurzfristige Lösungen zu finden, bringt einen hier weiter.
RuanderInnen lassen nicht so schnell zu, dass das Strassen-, Wasser-, Bau- oder Stromproblem – you name it !!– jetzt zum Eigenen werden muss. Es gibt wirklich wichtigeres im eigenen Leben – worum es geht. Eine gute Distanz – die ich auch gerne lernen will. Eine Distanz, die manchmal von einer edlen Unbekümmertheit und eine toxische/tödliche Gleichgültigkeit übergehen kann – und dann Probleme mit sich bringt*. Kontextualisiert. Externalisiert. Und gelöst. Einfach schlau.
Schnelle neue Trampelpfade für meine eingefahrenen Matsch-Gedankenstraßen wünsche ich mir auch. Drumherum gehen, drumherum bauen, drumherum basteln und dabei neurologisch flexibel bleiben .

Give me more of this, Rwanda.

Wasser oder kein Wasser?
Kein Wasser. Jeden morgen neu 30 Liter Regenwasser aus den blauen Regentonnen in die gelben Kanister umfüllen, unseren Trinkwasserfilter mit Regenwasser befüllen, für stabile Mägen beten, 25 kg Wasser ins Bad schleppen oder gleich besser draußen im Garten pinkeln und sich waschen. Lange Haare waschen ist besonders lästig. Unser Wassertank blieb leer. Und jeden 3. Tag waren wir auf Segen von oben angewiesen. Regen. Für unsere Regentonnen. Gott sei Dank mussten wir noch nie 30min ins Tal-tal zwischen Eukalyptusbäumen und Schlangen hinabklettern und die Kanister mit Talwasser füllen, um sie dann wieder 40 min auf dem Kopf nach oben zu schleppen. Das blieb uns erspart – alle Nachbarn mussten ins Tal gehen. Alle mussten schleppen. We were lucky. Privilegiert.

Demut. Immer wieder neu angewiesen sein auf höhere Instanzen – wie die Witterung, die Wasserwerke, die Stadtwerke oder Gott höchstpersönlich??

Wasser oder kein Wasser?


Wasserhahn aufdrehen – morgens Gesicht waschen – kein Wasser.
Salat waschen – mit Regentonnenwasser?
Duschen gibt´s nicht, dafür Waschlappen-Style.

Diese Erfahrung prägt uns. Hat uns genervt. Und wir haben gelernt.


Als das Wasser kam, war die Party dementsprechend groß! Hier seid ihr live dabei.



Zum Ausprobieren – Thema Grundbedürfnis Wasser:

Aus: Marina Abramovic, Buchtitel: Die Marina Abramovic Methode: Anleitung für einen Neustart

Fun Facts:

  • Bagger-Guards schlafen nachts in Rwanda in der Schaufel, um den Bagger zu bewachen … (vor Diebstahl??)
  • Kinder lernen von klein auf Wasser auf dem Kopf oder im Arm zu tragen. Man kann nicht zu klein sein. Auch die 3-jährigen unterstützen beim Wassertragen. Sie tragen dann 2 Liter Kanister oder Flaschen. Je älter und größer, desto schwerer das Gewicht. Es wächst mit. Auch die Muskeln und Fähigkeiten der Kinder wachsen mit. Mit jedem Jahr ein Kilo mehr. Ruth ist 24 und schleppt locker (!) 25 Kilo, aber auch zwischendurch 2 mal 25-Kilo-Kanister.

*Zum Beispiel in der Klinik, Neonatologie, mit frischgeborenen Frühchen, kaum 1000g – wenn da zu viel Distanz ist, zu wenig sich kümmern – kann das Kind auch schon mal sterben. Oder schlimme Gehirnschäden –> Behinderungen mit sich davon tragen.